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© 2024 Arbeitnehmerkammer Bremen

15.09.2023

Mehr als die Hälfte wünscht sich andere Arbeitszeiten

„Koordinaten der Arbeit“: Arbeitnehmerkammer Bremen präsentiert Ergebnisse der Beschäftigtenbefragung 2023

Mehr als die Hälfte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Land Bremen sind unzufrieden mit ihrer Arbeitszeit – 41 Prozent würden gern weniger, 12 Prozent gern mehr arbeiten. Das hat die vierte repräsentative Beschäftigtenbefragung der Arbeitnehmerkammer Bremen ergeben. Dabei gibt es deutliche Unterschiede zwischen Voll- und Teilzeitbeschäftigten. Während jede zweite Vollzeitkraft die Stunden lieber reduzieren würde, wünscht sich jede vierte in Teilzeit eine Aufstockung.

Für die Erhebung „Koordinaten der Arbeit“, die die Arbeitnehmerkammer seit 2017 alle zwei Jahre vom Sozialforschungsinstitut infas durchführen lässt, wurden rund 3000 Menschen im Zeitraum von Februar bis Mai 2023 telefonisch befragt.

Hohe Identifikation mit der Arbeit
81 Prozent der Beschäftigten identifizieren sich mit ihrer Arbeit – und mehr als zwei Drittel (69 Prozent) sind überzeugt, einen wichtigen gesellschaftlich Beitrag zu leisten. „Die Motivation ist hoch – wer Fachkräfte halten und gewinnen will, muss gute Arbeitsbedingungen anbieten“, sagt Elke Heyduck, Geschäftsführerin der Arbeitnehmerkammer. Dabei geht es um attraktive Arbeitszeitmodelle, gute Bezahlung sowie Entlastung und Kompensation von Stress und hohem Arbeitsdruck.

Gesundheitliche Gründe für Flucht in die Teilzeit
Bei mehr als einem Drittel der befragten Teilzeitbeschäftigten waren gesundheitliche Gründe ein Motiv für diese Arbeitszeitvariante, bei 15 Prozent waren sie sogar der ausschlaggebende Faktor. Bei der Flucht in Teilzeit aus gesundheitlichen Gründen stechen mit der Pflege (45 Prozent) und dem Gastgewerbe (40 Prozent) zwei Branchen hervor, die besonders häufig über Fachkräftemangel klagen. Dabei berichten Beschäftigte in diesen Berufsfeldern überproportional oft von starken körperlichen und emotionalen Belastungen und gehäuften Überstunden und attestieren ihrer Arbeit einen negativen Einfluss auf ihre Gesundheit. „Die Befragung zeigt, dass es neben familiären vor allem gesundheitliche Gründe sind, aus denen Menschen in Teilzeit arbeiten“, sagt Heyduck. „Bevor wir die unselige Diskussion über die Verlängerung der Lebensarbeitszeit führen, müssen wir erstmal dafür sorgen, dass Beschäftigte gesund bleiben und ihre Arbeit bis zur Rente ausüben können“, so Heyduck.

Dabei profitiert ausgerechnet die Gruppe der älteren Beschäftigten, die ihren Gesundheitszustand als wichtigen Grund für die Arbeit in Teilzeit angibt, am wenigsten von betrieblicher Gesundheitsförderung. Hierunter fallen beispielsweise Übungen am Arbeitsplatz, Beratung zu Gesundheitsthemen im Betrieb oder die Förderung sportlicher Aktivitäten außerhalb der Arbeitszeit. 42 Prozent der Älteren ab 55 Jahren erhielten aber keine gesundheitsfördernden Angebote von ihrem Arbeitgeber.

Woran Teilzeitwünsche scheitern
Fast jede oder jeder Fünfte gibt an, dass sich der Betrieb auf den Wunsch nach einer kürzeren Arbeitszeit nicht einlassen will, weitere 18 Prozent stoßen auf eine zumindest ablehnende Haltung. In Summe sieht mehr als jeder und jede Dritte einen arbeitgeberseitigen Hinderungsgrund. Das betrifft Männer häufiger als Frauen und Vollzeitkräfte häufiger als Teilzeitkräfte.
„Aber es sind immer auch ökonomische Gründe, die die Beschäftigten daran hindern, kürzer zu arbeiten“, so Marion Salot, Referentin der Geschäftsführung und Projektleitung Beschäftigtenbefragung. „Die Diskussion um Arbeitszeitverkürzung darf daher keine werden, die ganze Beschäftigtengruppen ausschließt.“ Zwei Drittel – bei den Alleinerziehenden sogar 94 Prozent – geben an, dass der monatliche Verdienst mit weniger Stunden zu gering wäre. Ebenfalls knapp zwei Drittel fürchten um die Höhe ihrer Rente. Besonders oft geben Frauen diesen Beweggrund an (71 Prozent).

Männer haben es schwerer, in Teilzeit zu gehen
Männer mit Teilzeitwunsch (insgesamt 44 Prozent) geben zu 86 Prozent als Grund an, dass sie mehr Zeit mit ihrer Familie verbringen wollen. Sie stoßen bei ihren Arbeitgebern allerdings besonders häufig auf Widerstände: 44 Prozent von ihnen sagen, dass ihr Arbeitgeber dem nicht zustimmt. „Wir brauchen an verschiedenen Lebensphasen orientierte, moderne Arbeitszeitmodelle für Männer und Frauen. Sie müssen auch zu den familiären Anforderungen passen“, sagt Salot.

Wer mehr arbeiten möchte
Nicht nur Teilzeitwünsche scheitern, auch der Wunsch nach mehr Stunden wird oft ausgebremst. Fast jeder vierte Teilzeit-Beschäftigte (23 Prozent) würde gerne Stunden aufstocken, unter allen Befragten sind es immerhin zwölf Prozent. Ein Viertel scheitert mit dem Wunsch nach mehr bezahlten Arbeitsstunden aber an der ablehnenden Haltung ihres Arbeitgebers oder Vorgesetzten. Überproportional häufig wird der Wunsch nach Stundenerhöhung von Beschäftigten im Gastgewerbe geäußert, ohne dass er sich realisiert. Das ist deshalb bemerkenswert, weil diese Branche besonders stark über Fachkräftemangel klagt. „Die Personalpolitik des Gastgewerbes zielt darauf ab, möglichst viele Hände flexibel einsetzen zu können. Deshalb ist die Teilzeitquote hier enorm hoch. Gleichzeitig wird lautstark über Fachkräftemangel geklagt. Wer in dieser Situation den Beschäftigten den Wunsch nach mehr Stunden abschlägt, hat die Zeichen der Zeit noch nicht verstanden“, sagt Marion Salot.

Familien mit Kindern in den Blick nehmen
Noch immer lassen sich Kinder und Berufsleben vor allem dadurch vereinbaren, dass zumindest ein Elternteil in Teilzeit beschäftigt ist. Das zeigt auch die Beschäftigtenbefragung: Für 71 Prozent der Teilzeitbeschäftigten mit Kindern sind die fehlenden Betreuungsmöglichkeiten ein relevanter Grund für die Entscheidung für die reduzierte Arbeitszeitvariante, für ein gutes Drittel (34 Prozent) ist dies sogar das wichtigste Motiv. Dabei würden viele gern mehr arbeiten – Alleinerziehende besonders. Von ihnen geben drei Viertel an, die Arbeitszeit nicht ausweiten zu können, weil die Betreuungsmöglichkeiten fehlen.

Politik und Betriebe sind gefragt
Wie wichtig attraktive Arbeitszeitmodelle sind, um Fachkräfte zu gewinnen und zu halten, zeigt ein weiteres Ergebnis der Befragung: Mehr als jede dritte Person, deren Wunsch nach Verlängerung oder Verkürzung der Arbeitszeit nicht entsprochen wird, hat bereits über einen Jobwechsel nachgedacht. „Das ist ein Warnschuss für Arbeitgeber und den Wirtschaftsstandort“, sagt Heyduck.  

Die Arbeitnehmerkammer fordert ein Landesprogramm „Arbeitszeit und Lebenszeit“, mit dem insbesondere die Innovationskraft kleinerer und mittlerer Betriebe mit Blick auf moderne Arbeitszeitarrangements gestärkt werden kann. Betriebe müssen darin ein Tool zur Verfügung gestellt bekommen, mit dem die Erfassung von Arbeitszeitwünschen ermöglicht wird. Darüber hinaus muss die Kinderbetreuung kontinuierlich und zügig ausgebaut werden. Über Elternbefragungen sollte zudem regelmäßig der Betreuungsbedarf erhoben und Vereinbarkeitsprobleme ermittelt werden.

Zur Befragung
Die Beschäftigtenbefragung der Arbeitnehmerkammer „Koordinaten der Arbeit“ hat das Institut für angewandte Sozialwissenschaft (infas) im Auftrag der Arbeitnehmerkammer in Form von 2940 telefonischen Interviews durchgeführt. Rund 71 Prozent der Befragten arbeiten in Vollzeit, rund 29 Prozent in Teilzeit, was in etwa den tatsächlichen Strukturen auf dem Bremer Arbeitsmarkt entspricht.  Die erste Erhebung dieser Art fand 2017 statt. Fokus waren in diesem Jahr Art und Umfang der Arbeitszeiten.


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